musiness

Bernd Dahlhaus: musiness der innere Wohlfühlzustand mit Musik (Kurzfassung Januar 2009)

1. Den besonderen inneren Wohlfühlzustand im bewußten Umgang mit Musik nenne ich "musiness".
2. Musiness ist mit jeder Art von Musik und in allen Umgangsweisen mit Musik erlebbar.
3. Musiness verbessert die Selbstkompetenz und trägt zu mehr Lebensqualität bei.
4. Musiness ermöglicht im pädagogischen Umgang mit Musik, Lernen und Lehren leichter und erfolgreicher zu gestalten.
5. Die Vision: "musiness" ist Bezeichnung für eine Bewegung des bewußten Umgangs mit Musik in der Gesellschaft ("musikalisch leben").

Musiness und Musalogie sind die beiden Säulen des Konzepts: "Neues Lernen mit Musik".

Einführung

Am Nordseestrand. Die Sonne strahlt am wolkenlosen, blauen Himmel hell und warm, der Wind weht heftig und die Wellen glitzern und rauschen. Ich wandere am endlosen Sandstrand entlang und höre dabei mit meinem CD-Player meine Lieblingsmusik. Ich bewege mich im Rhythmus der Musik, lass mich von seiner Power mitnehmen. Ich summe die Melodien und schwelge in den Harmonien. Ich habe gute Laune, fühle mich energiegeladen und lebendig. Ich könnte stundenlang weitergehen mit dieser schönen Musik. Überwältigt vor Glück kommt mir ein Tränchen

Das "Ron Miller Jazz Business" probt. Ich spiele Klavier in diesem Jazzquintett und begleite gerade zusammen mit dem Kontrabassisten und dem Schlagzeuger das improvisierte Trompetensolo. Die Akkordfolgen liegen gut für"s Klavier, ich schaue zum Schlagzeuger, wir lächeln uns an, dann zum Trompeter, der sein Solo mit wenigen tiefen und langen Tönen beginnt. Ich platziere einige sparsame Akkorde in die Melodiepausen. Im weiteren Verlauf steigert die Trompete ihre Melodiebögen, die ganze Band wird dynamischer. Dann: ein prägnantes Motiv, ich greife es auf, der Schlagzeuger steigt ein und das Miteinander, das Hin-und-her der Ideen und der Aktionen und Reaktionen wird immer intensiver. Ich kann kaum ruhig auf der Klavierbank sitzen bleiben, muß mich bewegen. Die Anzahl der Töne und der Akkordanschläge, die Lautstärke und die rhythmische Power: alles nimmt zu, genauso wie das Miteinander immer kompakter und intensiver wird. Und alle fühlen, wie wir eine flexible und spontan reagierende Ganzheit sind, weil jeder ganz unverstellt seine individuelle musikalische und persönliche Art einbringt. Ein tolles Gefühl!

Dienstag Nachmittag, Klavierunterricht mit Sebastian, 14 Jahre alt. Seit Anbeginn seines Unterrichtes vor ca. 3 Jahren interessiert ihn ausschließlich das Erfinden eigener Musik und so improvisiert er den größten Teil der Stunden alleine oder mit mir zusammen "drauf los". Meist sprudelt er über vor musikalischen Ideen, die sich an seiner favorisierten Musikrichtung, der Filmmusik, orientieren. In manchen Stunden "entdeckt" er musiktheoretische Zusammenhänge, zu denen er dann mehr wissen will. In diesen Situationen (und auch beim Improvisieren) ist eine ganze besondere Atmosphäre zu spüren: zwei partnerschaftliche "Forscher" sind dabei, neue Welten zu erkunden, Möglichkeiten zu entdecken und (musikalische) Muster und deren Wirkung zu erproben. Als Lehrer spüre ich bei Sebastian diese Neugier und Begeisterung, die ich von mir selber kenne. Es ist, als wenn wir beide mittels der Beschäftigung mit Musik in einem gemeinsamen "Tanz" sind.
Ich freue mich darüber, an Sebastian diese Entdeckerfreude erleben zu können und ihn mit meiner Erfahrung und meinem Wissen unterstützen und begleiten zu können. Diese Unterrichtsstunden gehören zu meinen "musikpädagogischen Sternstunden", sie machen mich zufrieden und lassen mich immer wieder neu die Sinnhaftigkeit meiner Tätigkeit empfinden. Es berüht mich sehr, so nah an Menschen zu sein.

1. Den besonderen inneren Wohlfühlzustand im bewußten Umgang mit Musik nenne ich "musiness".

Musiker kennen diesen Zustand ganz besonders: wenn nach Phasen des Übens und gemeinsamen Probens plötzlich "alles stimmt", alles in der "richtigen Schwingung" ist, wenn es plötzlich mühelos und ganz leicht geht, wenn die Musik wie "von alleine" dahinfließt. In diesem Moment selbstvergessenen intensiven Eintauchens hört alles willentliche Können und Wissen auf, es ist, als wenn "es" spielt.

Auch Musikliebhaber und Konzertgänger kennen diesen besonderen Moment beim Hören von Musik. Sie beschreiben ihn oft mit der berühmten "Gänsehaut", dem "Schauer, der einem über den Rücken läuft" oder auch mit Worten der tiefen Ergriffenheit.
Viele berühmte Dichter und Schriftsteller und natürlich auch viele Musiker, Komponisten und Dirigenten beschreiben ihr Erleben dieses Zustandes mit ihren häufig kunstvollen Worten. Alle Beschreibungen dieses ganz individuellen Erlebens sind Annäherungsversuche, wer sie liest, ahnt, was gemeint ist: ein intensiver Wohlfühlzustand mit und in der Musik, verbunden mit dem Gefühl des Aufgehobenseins in der Musik.

"Musiness" ist der Begriff, den ich dafür einführen möchte.

Musiness gibt es, seit Menschen mit Musik umgehen. Auch in anderen Bereichen gab es immer schon Phänomene, für die heute "moderne" Bezeichnungen benutzt werden. So existierten bspw. immer schon "Systeme" oder auch imaginäre Welten, die wir heute in dem Wort "Virtualität" zusammenfassen. "Neue" Bezeichnungen entstehen immer an einem bestimmten historischen Punkt der wissenschaftlichen, technologischen und gesellschaftlichen Entwicklung und werden dann zunehmend in den Alltag übernommen. Solch ein Metabegriff fokussiert die Aufmerksamkeit in einer neuen, ungewohnten Weise auf übergeordnete Zusammenhänge und Muster. Mithilfe des Begriffs musiness werden ein Bewußtsein für den guten inneren Zustand im Umgang mit Musik und der Austausch über diesen Zustand möglich sowie (pädagogisch-)praktische Anschlußmöglichkeiten eröffnet.

Musiness ist ein individuelles Erleben, eine besondere, als angenehm empfundene emotional-somatische Befindlichkeit im bewußten Umgang mit Musik, verbunden mit einem besonderen Gefühl des Aufgehobenseins in der Musik. Und dies ist nicht nur beim Erleben von "positiven" Gefühlen wie Freude, Liebe, Glück oder Verbundenheit möglich sondern auch im Erleben von eher als unangenehm empfundenen Gefühlen wie Wut, Trauer oder Einsamkeit: "sich wohlfühlen" bedeutet, alle Gefühle angemessen zu leben und vor allem ausdrücken zu können. Bin ich traurig, kann ich mich mit der für mich dazu passenden Musik, die ich spiele oder zum Hören oder Michbewegen auswähle, auch mit diesem Gefühl in der Musik "gut" aufgehoben fühlen und in diesem Sinne mit der Musik "wohlfühlen". Musiness als besonderer innerer Wohlfühlzustand ist in und mit jedem Gefühl erlebbar.

Der musiness-Zustand ist ein innnerer Zustand von besonderer Intensität, in dem die Ganzheitlichkeit von Körper, Geist und Seele deutlich erlebt wird. Dieser Zustand ist nicht "auf Knopfdruck" herstellbar, man muss etwas "dafür tun", sich in den Zustand "reinspielen" oder "einhören". Er hält auch nicht langfristig an, denn solch eine hohe Intensität wäre dauerhaft kaum auszuhalten (dies ist anderen intensiven inneren Zuständen ähnlich, wie bspw. dem "Verliebtsein").

Weil musiness ein individuelles Erleben ist, lassen sich auch nur begrenzt allgemeine Merkmale benennen, die immer nur beschreibend sind, aber nie als "Anleitung" benutzt werden können, um in diesen Zustand zu kommen.
Die beschreibbaren Merkmale ähneln denen des sogenannten "flow-Effektes":
- Balance aus Anforderung und Bewältigungskapazitäten,
- körperliche Leichtigkeit und Lebendigkeit, im Anschluss angenehme Erschöpfung,
- Fokussierung der Aufmerksamkeit, Ausblenden der Umwelt,
- Selbstvergessenheit, Verschmelzen von Zeit und Raum,
- Vorherrschen langsamer Gehirnwellen (Tranceerleben),
- "Erfolg" der Tätigkeit quasi als "Nebeneffekt".

2. Musiness ist mit jeder Art von Musik und in allen Umgangsweisen mit Musik erlebbar.
3. Musiness verbessert die Selbstkompetenz und trägt zu mehr Lebensqualität bei.
4. Musiness ermöglicht im pädagogischen Umgang mit Musik, Lernen und Lehren leichter und erfolgreicher zu gestalten.
5. Die Vision: "musiness" ist Bezeichnung für eine Bewegung des bewußten Umgangs mit Musik in der Gesellschaft ("musikalisch leben").

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